Sagenhaftes
Mecklenburg–Vorpommern

Volkssagen aus Mecklenburg–Vorpommern

Viele Orte Mecklenburg-Vorpommerns sind geheimnisumwittert und werden schon in alten Volkssagen erwähnt. Hier gibt es weit mehr zu entdecken als nur das altbekannte Petermännchen aus dem Schweriner Schloss...


Verwunschene Eichen

Der ehemalige Schlosspark von Schloss Ivenack umfasst neben einem Tierpark auch ein Areal mit beeindruckenden Eichen, für die ein Alter von bis zu 1000 Jahren angenommen wird. Die Eichen standen jedoch nicht immer in einem Schlosspark, denn die gesamte Anlage ging aus einem im Zuge der Reformation aufgelösten Zisterzienserkloster hervor. über das im Jahr 1252 von dem Ritter Reimbern von Stove gestiftete Kloster ist ansonsten kaum etwas bekannt. Schon zuzeiten des Klosters waren die Eichen jedoch schon alt und beeindruckend, so dass sich zahlreiche Legenden um die Bäume ranken.
So sollen einst sieben Nonnen zum Zwecke ihrer Flucht aus dem Kloster einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sein. Dieser willigte ein, stellte jedoch zur Bedingung, dass sie sich bis Stavenhagen nicht umdrehen durften. Doch schon nach ein paar hunter Metern blickte die erste Nonne zurück, und alle wurden im selbem Moment in Eichen verwandelt. Eine etwas andere Version der Sage erzählt, dass die sieben Nonnen von Räubern im Wald überrascht wurden und Gott aus Scham anflehten, sie in Eichen zu verwandeln.
In einer der Eichen soll angeblich bis in die heutige Zeit ein Verlobungsring verborgen sein, den eine junge Frau um den damals noch dünnen Stamm legte, als sie gegen ihren Willen ins Kloster geschickt wurde.

(u.a. bei: Hartmut Schmied, Die Schwarzen Führer Mecklenburg-Vorpommern, Freiburg i. Br. 2001)


Nonnen in der Grube

Am äußersten Westende der Rügenschen Halbinsel Mönchgut befindet sich ein Ufervorsprung, der Swantegard, oder die heilige Gegend genannt. In diesem Vorsprunge ist eine tiefe Grube, welche das Nonnenloch heißt. Sie ist noch jetzt sehr tief, obgleich ganz alte Leute in der Gegend sich noch erinnern, daß sie vor vielen Jahren zugeschüttet ist. Vor dieser Verschüttung war sie so tief, daß Niemand ihren Grund finden konnte. Zu dieser Grube sind vor Zeiten, als in der Stadt Bergen noch ein katholisches Nonnenkloster war, die Nonnen hingebracht, die sich vergangen hatten. Denn anstatt, daß man sie lebendig einmauerte, wie es in anderen katholischen Klöstern gebräuchlich war, wurden sie in diese Grube hinuntergestürzt. Das ist zwar immer heimlich und bei Nacht geschehen, aber die Leute sind es doch bald gewahr geworden an den wehklagenden Gestalten, die im Mondschein aus der Gruft oft heraufstiegen und um dieselbe herum wandelten. Man hat die Grube daher schon vor alten Zeiten das Nonnenloch geheißen, wie sie auch noch genannt wird. Es soll noch immer nicht geheuer in der Gegend seyn.

(J. D. H. Temme. Die Volkssagen von Pommern und Rügen, 1840)


Kobolde in Greifswald

Zu einer Zeit gab es in Greifswald eine Menge gräßlich anzusehender kleiner Kobolde, welche rote Hosen an den Beinen trugen. Sie hielten sich besonders in der Knopfstraße auf, wo sie die Häuser besetzten, und auf den Böden ihr Spektakel trieben und dann oben aus den Schornsteinen herausguckten, und die Leute auf der Straße verhöhnten. Wenn man sie fangen wollte, so entsprangen sie durch die Schornsteine, und man sah ihre roten Hosen oft schon auf dem dritten Dache, wenn man sie noch in dem ersten Hause suchte. Endlich verschwanden sie von selbst.

(J. D. H. Temme. Die Volkssagen von Pommern und Rügen, 1840)


Gespenster im Wald?

Zwischen Bad Doberan und Warnemünde erstreckt sich bei Nienhagen längs der Steilküste oberhalb des Ostseestrands der sogenannte Gespensterwald. Die vom salzhaltigen Wind geformten Buchen mit ihren seltsam schimmernden Stämme und ihrem verdrehten Wuchs gebend dem Ort ein unwirkliches Aussehen. Dass das Nienhäger Holz, wie der Gespensterwald auch genannt wird, als Aufenthaltsort für alle Arten von Geistern und Gespenstern prädestiniert ist, liegt auf der Hand. Tatsächlich wird der Wald in praktisch allen Touristenführern sowie auch in manchem neuerem Buch über Sagen als ein bekannter Spukort genannt, an dem Untote und Gespenster zur Geisterstunde ihr Unwesen treiben.

Um so erstaunlicher ist es allerdings, dass das Nienhäger Holz in den großen Anthologien der deutschen Volkssagen, die überwiegend in der Epoche der Romantik zusammengetragen wurden, überhaupt nicht vorzukommen scheint. Vor 200 Jahren waren die meisten der heute so gespenstisch wirkenden Buchen wohl höchstens dünne Stämmchen, und es ist gar nicht klar, ob der heutige Gespensterwald früher auch schon als ein solcher gesehen wurde. Ein klassischer Schauplatz von Volkssagen ist er wohl leider nicht, gibt natürlich aber trotzdem eine großartige Kulisse ab.


Der Küchenmeister von Dargun

Die heutige Ruinen von Schloss und Klosterkirche stehen an einem Ort, an dem sich einst eine Tempelburg der Wenden befand. Diese wurde von Heinrich dem Löwen im 12. Jahrhundert zerstört, und Bischof Berno von Schwerin errichtete an gleicher Stelle ein Zisterzienserkloster. Offenbar blieben die alten Geister der Wenden aber noch lange vor Ort, denn man erzählt sich in der Gegend allerlei Spukgeschichten. In der Nähe des Dorfes Dargun soll einst ein Kuhhirte angeblich einen dreibeinigen Hasen gesichtet haben. Als der Hirte mit einem Stock nach dem Hasen schlug und ihn am Hinterlauf traf, verwandelte sich dieser in ein altes Weib, das sich dann hinkend davonmachte.

Im Kloster selbst soll der ehemalige Küchenmeister Kophamel nach seinem Tod als Spukgeist sein Unwesen getrieben haben. Er polterte im Kloster herum, warf oft die Kessel vom Bort herunter, zerbrach die Gerätschaften der Vorratskammer, drehte den Hahn der Bierfässer auf anderes mehr. Man holte daher seinen Sarg wieder herauf und fand ihn mit offenen Augen und aufgesperrtem Mund darin liegen. Drei Tage berieten die Mönche, was zu tun sein. Endlich beschlossen sie, die Leiche aus den Grenzen des Klosters fortzuschaffen. Ehe es dazu kam, stopfte ein Küchenjunge der Leiche den Mund voll mit den Worten „He hett in sinen Leben den Rachen nich vull naug krigen künnt, he sall em nu in 'n Dod vull hebben.“ Ein kleiner Hügel im Iserborn wird als die Stelle bezeichnet, wo Kophamel begraben wurde. Dort treibt er noch seinen Spuk und der Ort wird deshalb von Jedermann gemieden.

(Karl Bartsch. Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, 1879)